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Andrea Schmitz, Vorstandsvorsitzende ADAC Nordrhein: „Die Zeit ist reif für Frauen-Netzwerke“

Am 8. Oktober 2021 wurde Andrea Schmitz mit 97,25 Prozent Ja-Stimmen zur Vorstandsvorsitzenden des ADAC Nordrhein gewählt, dem mit 2,95 Millionen Mitgliedern größten Regionalclub des ADAC. Die Diplom-Kauffrau aus Kempen (Kreis Viersen) ist bundesweit die erste Frau in dieser Position. Andrea Schmitz kennt den ADAC seit über 30 Jahren, hat viel gesehen und erlebt. In diesem Gespräch mit dem DSK Women’s Club spricht die 60-Jährige über ihren Weg und ihr Interesse am Motorsport, erklärt welche Rolle der ADAC in einer sich ändernden Welt spielt und ob der Eindruck stimmt, dass der ADAC eine Männerwelt ist. Zudem erklärt sie, wie es mit der Frauenquote beim ADAC aussieht und welchen Rat sie jungen Frauen gibt, um im Motorsport Fuß zu fassen.

Frau Schmitz, Sie sind Vorstandsvorsitzende des ADAC Nordrhein. Was beinhaltet diese Position und wie war ihr Weg dorthin?

Zusammen mit meinen Vorstandskollegen lege ich die strategischen Ziele des ADAC Nordrhein fest. Zudem koordiniere ich die einzelnen Ausschüsse des Vorstandes. Dies funktioniert nur, wenn die Zusammenarbeit gut ist. Bei Stimmgleichheit habe ich Entscheidungsgewalt, das kommt aber nur sehr selten vor.

Der Weg zu dieser Position war lang. Ich kenne den ADAC seit über 30 Jahren, wurde 1984 ADAC-Mitglied und begann kurz darauf in meinem Ortsclub, dem MSC UDA Oedt, ehrenamtlich tätig zu sein. 1992 wurde ich Geschäftsführerin des Ortsclubs. In dieser Position habe ich z.B. an den ADAC-Mitgliederversammlungen teilgenommen und schnell gemerkt, dass es mir Spaß machen würde, mehr im ADAC zu machen. 2011 wurde ich in den Ausschuss für Mitgliederleistungen berufen, einer der größten Ausschüsse des ADAC Nordrhein mit vielen Fachbereichen, der sich um alle Mitgliederangelegenheiten kümmert. 2015 wurde ich Vorstandsmitglied des ADAC Nordrhein. Im Oktober 2021 haben mich die Delegierten dann zur Vorsitzenden gewählt. Das war schon ein schöner Moment.

Sind Sie die erste Frau auf dieser Position beim ADAC?

Es gibt viele Frauen im ADAC, und unsere Geschäftsführung beim ADAC Nordrhein ist in einer Doppelspitze mit Mann und Frau besetzt. Das finde ich sehr vorteilhaft. Aber ich bin tatsächlich die erste Vorstandsvorsitzende eines Regionalclubs. Das war sicherlich für einige ungewohnt, aber so kann ich für andere Frauen ein Vorbild sein. Ich bin in vielen Arbeitskreisen, wo immer mehr Frauen hinzukommen, die sagen: ‚Das ist toll, was du da machst. Das könnte ich mir auch vorstellen.‘ Das macht schon Spaß.

Für diesen Posten wird man von den Mitgliedern gewählt. Hatten Sie männliche ‚Konkurrenz‘?

Im Vorfeld der Wahl gab es natürlich auch männliche Kollegen, die es sich vorstellen konnten, diesen Posten auszufüllen. Irgendwann hat sich meine Position aber herauskristallisiert, und dann fiel dieser Satz, den ich sehr schön fand: ‚Du bist das Gesicht des Vereins. Du bist mit der Basis so verhaftet, wir können uns dich als Vorsitzende gut vorstellen.‘

Wie haben Ihre Kolleginnen und Kollegen auf Ihre Wahl reagiert?

Ich habe durchweg nur positive Reaktionen erhalten und von sehr vielen Seiten Unterstützung angeboten bekommen. Die Frauen fühlen sich durch meine Person jetzt natürlich besser repräsentiert. Aber ich mach da keinen Unterschied und bin auch nicht diejenige, die die Frauenquote des ADAC nach oben drücken will. Das wollen die Frauen auch gar nicht.

Gibt es also eine Frauenquote beim ADAC?

Nein, absolut nicht. Was wollen wir mit einer Frauenquote? Frauen, die qualifiziert sind, kommen beim ADAC automatisch weiter. Alle Frauen, die wir zu diesem Thema befragt haben, haben gesagt, dass sie nicht über eine Quote weiterkommen wollen und so unter Umständen nur belächelt werden. Sie wollen in eine Position aufgrund ihrer Fähigkeiten.

Beim ADAC denken die meisten zuerst an Autos und Technik und somit eher an eine Männerwelt. Stimmt dieser Eindruck?

Die Männer, die früher Mitglied in einem Ortsclub wurden, haben das oft aus Interesse am Motorsport getan. Wer dem ADAC beitritt, der weiß, hier geht es viel um Technik und Autos. Es gibt aber mittlerweile immer mehr Frauen im ADAC, die auch sehr technikaffin sind. Um es in Zahlen zu fassen: Bundesweit sind 42,5 % der mehr als 21,3 Mio. ADAC Mitglieder weiblich. Im Regionalclub ADAC Nordrhein sind es 43,1 Prozent der ca. 2,95 Mio. Mitglieder. Die Frauen holen also auf. Und das finde ich sehr gut.

Der ADAC hat eine lange Motorsport-Tradition. Können Sie uns einen Überblick geben, was der ADAC im Motorsport macht?

Wir haben Automobilsport, unterschiedliche Motorrad-Kategorien, den Kartsport, Motorboot-Rennen, Sim-Racing, Oldtimer-Wandertouren. Es gibt Serien für Einsteiger und das ganz kleine Budget, wie z.B. beim Slalom oder den Karts, bis hin zum hochkarätigen Motorsport, wie das 24h-Rennen am Nürburgring.

Ist der ADAC mehr Automobil oder mehr Motorsport?

Sowohl als auch. Und wir sind noch viel mehr: Der ADAC entwickelt sich zu einem Mobilitätsdienstleister auf allen Ebenen. Wir haben ja nicht nur das Auto, es gibt zum Beispiel auch eine Fahrrad-Pannenhilfe oder den ADAC Schlüsseldienst. Und wir weiten unser Angebot ständig aus. Mobil sein ist mittlerweile längst nicht mehr aufs Auto und den Verbrennermotor beschränkt. Im Motorsport haben wir unseren Ursprung. Für uns sind beide Seiten gleich wichtig.

Glauben Sie, dass sich der Motorsport im Hinblick auf die neue Mobilität, aber auch das geänderte Umweltbewusstsein der Bevölkerung, ändern muss?

Der Motorsport ändert sich bereits. Es wurde sehr früh erkannt, dass man auf alternative Antriebsmodelle schauen muss. Dazu zählen Wasserstoff, E-Fuels, e-angetriebenen Elektrokarts oder Motorsport-Serien, die elektrisch funktionieren. Die Entwicklung ist noch am Anfang, aber der Prozess ist in vollem Gang.

Inwieweit ist der ADAC hier Vorreiter?

Wir versuchen, uns nicht nur auf eine Antriebstechnik zu konzentrieren, sondern uns breit aufzustellen, die E-Mobilität zu begleiten, aber auch alternative Kraftstoffe und Antriebstechniken zu entwickeln. Motorsport und Technik sind zwei Bereiche, bei denen wir ganz eng mit der Zentrale in München zusammenarbeiten und Forschungsprojekte vorantreiben, auch weil unsere Mitglieder das möchten und wir ihnen Antworten bieten wollen.

Sind Sie selbst motorsportaffin?  

Absolut! Ich habe bei uns im Ortsclub vor langer Zeit mit Geschicklichkeitstournieren angefangen. Dabei setzt man sich in sein eigenes Auto, fährt auf Zeit und versucht, möglichst wenig Fehler zu machen. Dann habe ich zusammen mit meinem Mann Orientierungsfahrten gemacht, mit Karte lesen und Wertungsprüfungen. Das war sehr anspruchsvoll, so dass wir oft nur wenig von der Umgebung gesehen haben. Das fanden wir schade und haben beschlossen, etwas ganz anderes zu machen. So haben wir die wunderbaren Oldtimer-Wanderfahrten entdeckt. Man genießt die Landschaft, trifft sich mit Gleichgesinnten, wie zum Beispiel bei der Eifelrundfahrt im August oder beim Oldtimer-Highlight, der Rundfahrt um den Gardasee. Das macht sehr viel Spaß. Zudem bin ich ausgebildete Sportwartin der Streckensicherung, also die, die die Flagge an der Strecke schwingt. Ich bin Abschnittsleiterin und Assistentin der Streckensicherung in der Rennleitung, sowohl bei der NLS als auch beim 24h-Rennen am Nürburgring. Es macht viel Spaß und ist interessant, den Motorsport sowohl an der Strecke als auch in der Rennleitung zu erleben.

Welchen Rat würden Sie Mädchen und Frauen geben, um im Motorsport Fuß zu fassen?

Mutig sein. Um den Einstieg zu schaffen, sollte man selbstbewusst auftreten und sich etwas zutrauen. Und nicht auf andere hören, die sagen: ‚Lass das, das machen andere besser‘. Das stimmt nicht unbedingt. Gerade im Kartsport sieht man häufig, dass Jungen und Mädchen sich als gleichwertig ansehen und auch gleich behandelt werden. Viele Mädchen sind deutlich besser als die Jungs. Außerdem sollte man sich Gleichgesinnte suchen oder einen Mentor, der einen an die Hand nimmt und bei Schwierigkeiten hilft. Und die Antwort auf Nein sollte sein: ‚Ich versuch’s trotzdem‘.

Bietet der ADAC z.B. Technikkurse für Frauen oder unterstützt sie anderweitig?

Ja, Technikkurse für Frauen bieten wir in unseren Fahrsicherheitszentren oder den Ortsclubs an. Das ist ein geschützter Raum, wo man als Frau nicht von den Männern belächelt wird, und das ist eine tolle Sache. Zudem arbeitet der ADAC daran, sich den Bedürfnissen der Frauen anzupassen und z.B. familienfreundlicher zu sein. So bieten wir bei Großveranstaltungen eine Kinderbetreuung an oder machen häufiger Online-Meetings zu Zeiten, die besser in die Planung von Frauen passen. Wir stellen uns permanent die Frage, wie wir unsere Aufgaben möglichst zeitsparend und effizient verteilen und erledigen können, und wie wir dabei den Bedürfnissen der Frauen gerecht werden können.

Glauben Sie, dass Vereinigungen für Frauen, so wie der DSK Women’s Club, sinnvoll sind, um Frauen den Weg in eine Männerdomäne zu ebnen?

Ich finde es sinnvoll, wenn man sich unter Frauen trifft, es gibt auch die klassischen Männerclubs. Zudem glaube ich nicht, dass solche Vereinigungen die Frauen ausgrenzen, ganz im Gegenteil. Es ist aber auch wichtig, dass sich Frauen und Männer anschließend darüber austauschen, was sie in ihren jeweiligen Treffen erarbeitet haben. Solche Netzwerke kommen beim ADAC sehr gut an. Die Zeit ist einfach reif dafür.

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