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Claudia Hürtgen: „Dem Auto ist es egal, wer drin sitzt“

Claudia Hürtgen ist eine der erfolgreichsten deutschen Motorsportlerinnen. Die gebürtige Aachenerin hat in ihrer langen Karriere zahlreiche Erfolge vorzuweisen. Unter anderem gewann sie zweimal die Meisterschaft in der Deutschen Tourenwagen Challenge, sie war 2005 nach Sabine Schmitz die zweite Frau, die den Titel in der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring holte und sie nahm vier Mal am legendären 24h-Rennen in Le Mans teil. Seit letztem Jahr ist die Chefinstruktorin der BMW Driving Experience und Patin des DSK Women´s Club. Im ausführlichen Interview spricht sie über ihre Anfänge, ihre größten Erfolge und Erlebnisse, Frauen im Motorsport sowie ihre Pläne fürs kommende Jahr.

Claudia, zum Einstieg ins Interview, die klassische Frage, wie hat alles angefangen?
Mein Vater ist früher hobbymäßig Rennen gefahren. Ich war immer mit dabei und ich habe ihm auch beim Schrauben an den Autos geholfen. Eines Tages hatte ein Freund von ihm ein Go-Kart mit und dann saß ich auf einmal da drin. Das machte mir Spaß. Zu meinem Glück gab es damals in der Programmzeitschrift prisma einen Wettbewerb, in dem die besten Kartfahrer gesucht wurden. Ich durfte mich anmelden und habe dann den Top-Lehrgang gewonnen. Im darauffolgenden Jahr hat mir prisma als Sponsor ein eigenes Kart gekauft und die Startgelder bezahlt. Dann ging alles seinen Gang.

Du hast viel erlebt und gesehen in der Welt des Motorsports. Welches war dein schönstes Auto?
Das ist wirklich schwer zu beantworten. Jeder Abschnitt meiner Karriere hatte etwas Besonderes. Nachdem ich aus der Formel Ford in die Formel 3 gewechselt war, war natürlich die Formel 3 das Tollste. Dann hatte ich einen Formel 3000-Test. Da war ich hin und weg. Letztlich bin ich Porsche 911 GT2 gefahren, das war auch ein Auto mit viel Tradition. Ich muss sagen, das aufregendste Auto, das ich gefahren bin, war in Amerika der Le-Mans-Prototype der Klasse LMP675 aufgrund der Geschwindigkeit und des Downforce. In Laguna Seca habe ich mit dem Auto einen Klassensieg gefeiert. Diese Kombination war ergreifend. Auch auf einem Stadtkurs in Miami in der American Le Mans Series haben wir gewonnen, da gab es ein Feuerwerk am Ende. Das waren schöne Ereignisse. Aber auch die Rennen mit dem BMW Z4 GT3 auf den Grand-Prix-Strecken und der Nürburgring Nordschleife waren gigantisch. Das Auto war mein Baby, die Zuschauer waren begeistert von dem Sound.

Und welche Strecke hat dich am meisten fasziniert?
Ich durfte viele Strecken kennenlernen. Suzuka, Laguna Seca, Atlanta, eine kleine Nordschleife. Mir haben alle Strecken gefallen, die in der Natur liegen. Über den Stellenwert der Nürburgring Nordschleife für michbrauchen wir nicht reden. Da komme ich her. Dort bin ich quasi zu Hause. Dahin komme ich immer wieder gerne zurück.

Und welcher Erfolg ist unvergessen?
Jede Meisterschaft war schön. 2003 und 2004 zum Beispiel in der Deutschen Tourenwagen Challenge, oder 2005 in der VLN. Das war eine richtig starke Teamleistung mit Schubert Motorsport und dem BMW 320 E46. Bei dem Klassensieg und dem vierten Gesamtrang 1997 bei den 24h von Daytona in der GT2 hatten wir nicht mal eine Box. Wir durften unser Auto daneben stellen. Auch der Sieg bei den 24h von Dubai, das vergisst man nicht. Nach meinem ersten Erfolg in der Formel Ford habe ich im tschechischen Brünn auf dem Podium ganz oben gestanden und während der Nationalhymne geweint. Alle Siege waren auf ihre Art ergreifend, ich kann da gar keinen einzelnen herausheben. Wenn man das alles mal so Revue passieren lässt, da kriegen manche große Augen.

Welche Erfahrungen hast du als Frau im Motorsport gemacht?
Dem Auto ist es egal, wer drin sitzt. Sobald man in derselben Liga wie der Teamkollege fährt, ist das auch gar kein Thema mehr. Das Umfeld hatte da eher ein Problem mit, wenn eine Frau am Steuer saß. Ich hatte mit Dr. Helmut Marko und Willi Weber gute Ziehväter. Dr. Marko hat zu mir immer gesagt, fahr lieber das Auto kaputt, bevor du zurückziehst. So habe ich mir dann einen Namen gemacht. Ich habe keine schlechten Erfahrungen gemacht. Wichtig ist, dass du zeigst, was du kannst und dann wirst du akzeptiert. Dr. Marko hat mir damals in Zeltweg die Möglichkeit gegeben, Formel 3 zu testen. Danach hat er gesagt, du kannst für mich fahren. Im richtigen Moment, an der richtigen Stelle seine Leistung bringen, dann ist es uninteressant, ob du ein Mann oder eine Frau bist. Da glaube ich immer noch dran. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich eventuell ein Vorbild für andere Frauen bin. Ich wollte immer nur gewinnen.

Wie ist denn deine Meinung zu der W Series, einer Formel-Serie nur für Frauen?
Generell ist es eine Möglichkeit für weibliche Motorsportler, die schnell und gut sind, Budget für weiterführende Meisterschaften zu bekommen. Wenn du dort allen um die Ohren fährst, werden schon einige hinschauen. So würde ich es auch bewerten. Das ist ein gutes Sprungbrett, das man nutzen sollte, um sich zu zeigen. Wenn man talentiert ist, ist es ist egal, gegen wen man fährt. Im Prinzip stellt sich natürlich schon die Frage, warum man eine eigene Frauen-Meisterschaft machen muss. Grundsätzlich sehe ich das aber eher positiv.

Du bist Patin des DSK Women´s Club, was hat dich bewogen, das zu machen?
Ich war etliche Jahre als Profirennfahrerin unterwegs. Ich habe viel erlebt. Deswegen möchte ich etwas davon zurückgeben und Frauen motivieren, ihren Traum zu leben. Ich hatte die Möglichkeit und habe daran geglaubt, es zu schaffen. Und ich habe es auch geschafft. Das sind spannende Geschichten, die ich erzählen kann.

Du arbeitest als Chefinstruktorin der BMW Driving Experience. Wie sieht deine Arbeit dort aus?
Ich sitze stundenlang vorm Schreibtisch (lacht). Ich bin verantwortlich für die Veranstaltungsdurchführung. Das heißt, alles was benötigt wird, Fahrzeuge, Instruktoren, Flächenaufteilungen, Zeitpläne, das fällt in meinen Bereich.

Abschließend gefragt, wie sehen deine Pläne für 2020 aus?
Ich würde gerne nochmal bei der GT4 Germany starten. Das steht aber noch nicht fest. Ich werde ein paar historische Rennen fahren, unter anderem die Le Mans Classic. Und ich werde meinen zehn Jahre alten Sohn bei seinen ersten Schritten im Kartsport unterstützen. Er wird bei den Minis beim ADAC Kart Masters dabei sein. Er hat letztes Jahr mit dem Motorsport angefangen, mal schauen wie er sich schlägt.

Hat er die motorsportlichen Gene von der Mutter geerbt?
Es sieht nicht so schlecht aus.

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