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Johannes Scheid im Interview: „Geschlafen habe ich in der Zeit sowieso nicht“

Johannes Scheid ist auf dem Nürburgring eine Legende. 2019 wurde er im Rahmen des 24-Stunden-Rennens unter anderem von BMW M Customer Racing für 50 Jahre im Rennsport geehrt. Fast seine gesamte Karriere über ist er mit BMW Fahrzeugen auf der Nordschleife angetreten. 1996 und 1997 gewann der das 24-Stunden-Rennen im legendären BMW M3 „Eifelblitz“. Vor der Saison 2020 hat Scheid seine Karriere beendet. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des 24-Stunden-Rennens sowie des ersten BMW Gesamtsieges blickt Scheid auf seine beiden Triumphe sowie auf seine Erlebnisse in 50 Jahren Nordschleife zurück.

Herr Scheid, Sie haben fast die gesamte Geschichte der 24 Stunden auf dem Nürburgring miterlebt. Was war die schönste Zeit?
„Am schönsten ist es immer, wenn man gewinnt. Von daher war es für mich natürlich die Zeit in den 1990er Jahren, in denen ich zweimal den Gesamtsieg gefeiert habe. Aber auch andere Zeiten waren sehr schön. Insgesamt habe ich so um die zehn Klassensiege beim 24-Stunden-Rennen gefeiert. Und aus fahrerischer Sicht war es die Zeit mit dem BMW M3 E30, als wir nur zu zweit am Steuer saßen und entsprechend viel zum Fahren kamen. Da verging die Zeit sehr schnell. Geschlafen habe ich in der Zeit sowieso nicht, denn wenn etwas am Auto war, musste ich auch als Mechaniker anpacken. Es gab höchstens mal eine Massage.“

Sind Sie immer mit BMW Fahrzeugen angetreten?
„Angefangen habe ich mit einem BMW 1800. Zwischendurch bin ich auch mal kleinere Autos gefahren, aber seit es mit dem BMW M3 E30 losgegangen ist, war ich immer mit einem BMW am Start und habe es mehrfach in die Top-5 der Gesamtwertung geschafft.“

Ihre große Zeit kam dann 1996 und 1997 mit zwei Gesamtsiegen. Damals ist auch die Legende des „Eifelblitz“ geboren worden, richtig?
„Genau. Das war bei unserem ersten Sieg 1996. Unser BMW M3 E36 war hauptsächlich weiß und aus meiner Sicht ziemlich nackt. Sabine Schmitz – damals noch Sabine Reck – fuhr bei uns auf dem Auto und war eine talentierte Zeichnerin. Da habe ich zu ihr gesagt: ‚Denk dir mal was aus.‘ Sie hat dann die Burg auf die Seite gezeichnet, und von da an war der Name ‚Eifelblitz‘ geboren.“

Welcher der beiden Siege war der speziellere?
„Von den Umständen her sicher der zweite 1997. Da hatten wir schon nach der ersten Trainingsrunde beinahe einen Totalschaden. Wir haben das Wrack zu uns in die Werkstatt gebracht und alles bis auf den Motor komplett ausgebaut. Bei uns sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Dann haben wir es wieder mit neuen Teilen zusammengesetzt und vermessen, allerdings die komplette Front weggelassen. So ging es dann bei einem Kollegen auf die Richtbank. Dort haben wir es dann fertig zusammengesetzt und standen beim zweiten Training wieder an der Strecke bereit. Ich bin eine Checkrunde gefahren und habe gehört, dass irgendwas klappert. Es stellte sich heraus, dass es ein Teil am Dreieckslenker war. Peter Zakowski war damals auch als Fahrer auf dem Auto dabei. Der hatte eine Dreherei. Also haben wir einen seiner Kollegen nachts aus der Disco geholt, der uns das Teil nachmachen sollte. Leider konnten wir das Material nicht genau bestimmen, also haben wir am Ende einfach das Serienteil aus Gummi genommen. Das ging auch. Wir konnten also ins Rennen starten, waren aber gegen die VWs damals eigentlich unterlegen – zumal dann auch noch unser ABS ausfiel. Wir hatten im Regen aber bei der Reifenwahl das bessere Händchen, mussten weniger Boxenstopps machen und haben auf diese Weise gewonnen.“

2009 sind Sie Ihr letztes 24-Stunden-Rennen selbst gefahren. Aber auch abseits des Cockpits sind Sie am Nürburgring eine echte Größe.
„Neben dem Fahren und meiner Tätigkeit als Teamchef habe ich unter anderem den Langstrecken-Pokal mitbegründet und damals quasi das organisierte Rennfahren auf dem Nürburgring eingeführt. Wir haben uns erst bei mir zuhause zum Frühstück getroffen, später dann nochmal in Köln und dabei beschlossen, eine Langstrecken-Serie zu gründen. Ich bin außerdem nach wie vor Präsidiumsmitglied beim Deutschen Sportfahrer Kreis DSK. Wir haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass die Nürburgring Langstrecken-Serie als erste Rennserie nach der ersten Phase der Pandemie wieder Rennen austragen konnte.“

Als Teamchef sind Sie zuletzt mit dem BMW M240i Racing angetreten. Was hat Ihnen besser gefallen: die alten Autos oder die modernen?
„Die modernen Autos am Ende waren schon toll. Die Arbeit daran war natürlich deutlich weniger aufwendig als an den Autos, die ich selbst aufgebaut habe. Allen voran der ‚Dicke‘, unser BMW M3 GTS – eigentlich ein BMW M3 GTR, den ich aber wegen der gleichnamigen Werksautos nicht so nennen konnte. Das war auch eine schöne Zeit, aber der moderne BMW M240i Racing war immer sehr zuverlässig, und wir hatten in unserer Cup-Klasse immer sehr schöne Kämpfe.“

Vor dieser Saison haben Sie Ihren BMW M240i Racing verkauft und Ihre Karriere als Teamchef beendet, Warum?
„In erster Linie wurde es einfach immer schwieriger, als kleines Team mit nur einem Auto die Kosten zu stemmen. Eigentlich wäre ich die Saison 2020 gerne noch gefahren, aber dann kam die Pandemie noch dazu und ich habe mir gesagt: ‚Jetzt ist es gut.‘“

Wie werden Sie am kommenden Wochenende das 24-Stunden-Rennen verfolgen?
„Ich denke, ich werde live vor Ort sein. Ich habe einem Team bei der Vorbereitung des Fahrzeugs ein wenig geholfen und bin dazu noch als Berater einiger weiterer Teams tätig. Ganz weg vom Nürburgring bin ich also noch nicht.“

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