Lina van de Mars ist eine vielbeschäftigte Frau. Seit 2003 ist sie als Moderatorin im deutschen Fernsehen in vielen verschiedenen Programmen zu sehen. Als ausgebildete Mechatronikerin mit eigener Werkstatt in Berlin, wo sie in Teilzeit auch selber schraubt, hatte die 42-Jährige von Klein auf ein Interesse an Motorsport, schaute die Dakar-Rallye im Fernsehen. Allerdings fand sie erst relativ spät, mit 27 Jahren, den Weg in den aktiven Motorsport. In diesem Gespräch erzählt Lina von ihrem Werdegang, ihren Plänen auf und neben der Rallye-Strecke und davon, welche Tipps sie Frauen gibt, im Motorsport Fuß zu fassen.
Lina, stell dich doch bitte kurz vor.
Ich bin Lina, Fernsehmoderatorin, Mechanikerin, Mechatronikerin, Rennfahrerin, mittlerweile auch Europa-Vizemeisterin im Bereich FIA Baja Offroad Rallyes und immer gerne auch Role Model für Frauen, die das was ich mache, genauso spannend finden.
Wie bist du zum Motorsport gekommen?
Früher durfte ich die Dakar-Rallye im Fernsehen schauen – als einzig Auto-Begeisterte in meiner Familie – und fand es immer spannend, Autos im Sand und in der Wüste zu erleben. Jutta Kleinschmidt war zu dieser Zeit natürlich auch Role Model für alle Frauen und Mädchen und hat es noch erlebbarer gemacht, sich für genau diesen Sport zu interessieren. Rallye generell hat mich immer mehr fasziniert als Rundstreckenrennen.
Nach dem Abitur bin ich über die Musik als aktive Schlagzeugerin bei einem befreundeten Musiker in der Werkstatt gelandet und habe mich damals dazu entschlossen, Mechanikerin zu werden.
Ich habe im 2. Lehrjahr in das Berliner Meilenwerk gewechselt, wo ich im Rahmen einer Oldtimer-Weihnachtssendung als On Air-Gesicht entdeckt und für die Sendung ‚Tuning TV‘ unter Vertrag genommen wurde. Der Rest ist Geschichte.
Als Fernsehmoderatorin habe ich neben vielen Unterhaltungssendungen angefangen, Motorsport live zu moderieren und habe immer mehr über den Sport gelernt. Allerdings habe ich erst relativ spät angefangen – 2007 mit 27 Jahren – wirklich aktiv Motorsport zu betreiben. Ich traf damals Burcu Cetinkaya, eine türkische Rennfahrerin, die in ihrem Land sehr bekannt ist, und wurde ihre Co-Pilotin. So habe ich den Einstieg in den Rallyesport gefunden. Nach einem Jahr als Co-Pilotin habe ich gemerkt, dass ich es viel spannender fand, selber zu fahren. Ich bin die ersten Events in der Türkei mit Burcus vorheriger Co-Pilotin gefahren und habe schnell gemerkt: ‚Das passt, ich fühle mich hier wohl.‘
Irgendwann hat sich der Kreis dann geschlossen, als ich Jutta vor über 10 Jahren beim Goldenen Lenkrad kennenlernte. Sie hat mich ein paar Jahre später in einen Polaris RZR gesetzt, weil ich ihr erzählt hatte, dass ich mich in der Deutschen Rallye-Meisterschaft und einem frontangetriebenen Fahrzeug nicht ganz am richtigen Platz fühlte. Bereits die ersten Runden in diesem Allrad angetriebenen Fahrzeug, das damals weit weniger PS hatte als die von heute (wir fuhren damals spaßeshalber die 24h GORM mit und wurden, ohne jemals zuvor in diesem Fahrzeug gesessen zu haben, direkt Gesamt-Zweite) fühlten sich absolut nach „nach Hause kommen“ an.
Betreibst du Motorsport regelmäßig?
Das ist schwierig, denn in Deutschland gibt es kaum Trainingsmöglichkeiten, wodurch ich es leider nicht so regelmäßig betreiben kann, wie ich es gerne würde. Im Baja Offroad Sport ist jedes Rennen gleichzeitig auch Training. Man muss relativ schnell viel lernen. Und wenn du dich nicht wohlfühlst im Buggy oder nicht verstehst, wie das Fahrzeug funktioniert, kommst du nicht schnell weiter, weil man eben wenig trainieren kann. Dies bedeutet aber auch hohe Ausgaben für die langen Rennen, und vor Ort dann gleichzeitig alles geben und schnell sein, aber auch ohne viel Erfahrung möglichst wenig kaputt machen.
Nach meinen ersten Rennen in 2017 und 2018, zum Beispiel das 24h-Rennen in Albanien, wo wir Gesamt-Zweite wurden, wollte ich eigentlich in der Wüste fahren. Ich habe mir selbst ein Buggy gekauft und mit meinem Team auf Motorsport umgebaut, dazu zusätzlich einen eigenen Service-LKW mit Werkstatt und Wohn/Schlafbereich.
Zudem habe ich aus den unterschiedlichsten Bereichen Mechatronikerinnen zusammengeholt und sie in die Welt der Buggys eingearbeitet. 2020 wollten wir dann als Damen-Team voll durchstarten … dann kam Corona. Meine Rennen wurden drei Jahre immer wieder abgesagt und verschoben.
Als es letztes Jahr wieder losgehen sollte, stand ich ohne mein vollständiges Team da, da einige in der Zwischenzeit Mutter geworden waren. Zudem war das Buggy, das wir 2017 und 2018 aufgebaut hatten, da schon nicht mehr FIA-konform. Also habe ich mich letztes Jahr in das französische Team Xtreme Plus eingemietet, um überhaupt wieder fahren zu können. Ich bin mit der Italienerin Giulia Maroni die FIA Baja Europameisterschaft gefahren, und wir haben uns so gut geschlagen, dass wir am Ende Vizemeisterinnen in unserer Klasse (T4) wurden, bei 15 Teilnehmern als einzige Frauen.
Die Zusammenarbeit mit XtremePlus hat mir aber auch gezeigt, dass sich einmieten nicht immer alles ist – natürlich fährt man nicht letzte Rille, wenn man weiß, dass jeder Schaden kostet, da man plötzlich nicht mehr selber alles repariert, und mir ist bewusst geworden, wie wirklich wichtig mir Teamwork ist.
Also betreibst du Motorsport nicht hauptberuflich?
Nein, leider nicht. Aber man muss auch sagen, dass da Geld auch immer eine große Rolle spielt. Wenn ich mich immer irgendwo mal schnell einmieten könnte und das nötige Kleingeld dafür hätte, könnte ich Motorsport noch professioneller betreiben. Gerade jetzt, da der erste Titel eingefahren ist. Aber dadurch, dass ich wieder ein eigenes Team und auch ein neues SSV aufbauen möchte, dauert es länger. Ich würde uns schon als sehr professionell bezeichnen, wenn es um die Umsetzung geht, den Auftritt vor Ort und auch das eigentliche Fahren, aber Motorsport ist nicht mein Hauptberuf.
Was ist für dich das Besondere am Rallye-Sport?
Auf der Rundstrecke ist man im Auto immer ein Einzelkämpfer, bei der Rallye bist du ein Team mit deinem Co-Piloten. Bei höchsten Geschwindigkeiten und schlechtesten Konditionen musst du zusammenarbeiten, um in dem Sport erfolgreich zu sein. Man lernt sich und auch andere ganz anders einschätzen und geht immer wieder über seine Grenzen – wächst schneller, am besten Fall auch als Team.
Zudem finde ich am Rallye-Sport spannend – deshalb empfehle ich es auch vielen – dass man gar nicht selber fahren muss! Es gibt vor allem viele Frauen, die als Co-Pilotin anfangen, sich damit durchsetzen, und das ist ein wichtiger Posten im Rallye-Sport!
Welche sportlichen Ziele hast du?
Ich möchte definitiv so oft fahren, wie es geht. Und ein großes Ziel ist natürlich die Dakar-Rallye. Wir wollten 2023 ein neues Buggy aufbauen, um ab Januar 2024 endlich voll durchzustarten. Aber durch Corona haben sich die Produktionszeiten meines Herstellers verzögert und wir haben die Basis erst jetzt, mit einem halben Jahr Verspätung, geliefert bekommen. Also heißt es wieder, sich umorientieren und neue Pläne schmieden. Aber das passt ja gut zu dem Sport.
Was machst du noch außer Motorsport?
Mein Hauptberuf ist Moderatorin. Das geht vom TV- und Unterhaltungsprogramm bis hin zur Expertin, Kommentatorin und Motorsport-Moderatorin. Und bei allem, was ich mache, möchte ich es nicht nur für mich machen, sondern andere Menschen mitreißen. In meiner Werkstatt in Berlin versuche ich immer, junge Mechatronikerinnen mitzuziehen. Im Motorsport mache ich das Gleiche. Ich bin nicht die klassische Mechatronikerin, die jeden Tag in der Werkstatt steht. Ich moderiere, organisiere und schaffe es gut, andere für das zu begeistern, was mir auch Spaß macht.
Hast du spezielle Frauenprojekte in Planung?
Einmal im Jahr organisiere ich ein Damen-Offroad-Camp, bei dem 20 Frauen ganz entspannt die Chance haben, ein Buggy auszuprobieren, von der Einstiegsklasse Trail S mit knapp 100 PS bis hin zu den großen mit über 200 PS. Das kommt so gut an, dass ich das gerade ausbaue. Ich bin mit Offroad-Parks in Kontakt und möchte diesen Herbst noch ein weiteres Offroad-Camp organisieren.
Welche Tipps würdest du anderen Frauen geben, die im Motorsport starten wollen?
Man fängt mit der nationalen A-Rennlizenz an. Das sind meist Wochenend-Kurse vom DMSB. Dann macht es Sinn, nicht gleich mit den größten Rennen anzufangen, sondern in seinem Umfeld zu schauen, was es an kleineren Rennen gibt. Das ist bei der Rundstrecke etwas einfacher, weil man da im Kartsport anfangen kann. Im Rallye-Sport gibt es die sogenannten 200er-Rallyes, wo man sich ein kleines, gebrauchtes Fahrzeug von einem Team mieten und so den Einstieg finden kann.
Hat man als Frau im Motorsport eher Vorteile oder eher Nachteile?
Das Positive in meinem Sport ist, dass gar nicht so groß darauf geachtet wird, ob Mann oder Frau. Aber weil es so wenige Frauen gibt, sind die Leute eher überrascht und freuen sich, wenn da eine Frau mitfährt und dann auch noch auf dem Treppchen steht. Und wenn man einen guten Job macht, bekommt man sehr viel Respekt.
Es gibt mittlerweile viele Förderprogramme für Frauen im Motorsport, aber ein gewissen Können muss man natürlich auch mitbringen. Und diese Programme müssen zusätzlich dafür sorgen, dass eine Frau, die in einer Serie erfolgreich ist, einen guten Platz in der nächsten Serie bekommt.
Daran kann noch gefeilt werden.
Glaubst du, dass Vereinigungen wie der DSK Women’s Club mehr Frauen den Weg in den Motorsport ebnen können?
Der DSK Women’s Club ist für mich das beste Beispiel, dass man sich verknüpfen und so gegenseitig stärken kann. Hier geht es nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander. Wir kommen alle aus den unterschiedlichsten Bereichen. Ich wohne seit vielen Jahren in Berlin, was nicht gerade die Motorsport-Hauptstadt Nummer 1 ist. Aber durch den DSK habe ich viele Frauen kennengelernt, die zum Beispiel viel auf dem Nürburgring unterwegs sind. So werde ich zum Beispiel bald mal wieder auf der Rundstrecke unterwegs sein … weil mich eine andere Frau dazu inspiriert hat!